als wäre es 2008. Als würden wir nicht vier Stunden am Tag auf Smartphones starren, vor oder nachdem wir acht Stunden auf Bildschirme gestarrt haben. Oder als würden wir auf unseren Smartphones wenigstens auf Wände aus Text starren, meinetwegen mit Bildern und Absatz, aber nicht auf Tiktoks, Reels und YouTube Shorts, auf 200 davon in 30 Minuten. Und als wäre diese Medienschelte nicht seit wenigstens 2021 alt und spießig, wie das Wort Medienschelte selbst und als würden wir noch alt und spießig sagen und nicht boomer und cringe. Als gäbe es noch eine Szene aus Bloggern, die Fans voneinander sind, als würde man Facebook nicht immer noch benutzen, sondern ganz selbstverständlich. Als würde Twitter noch nicht X heißen, sondern nach wie vor zuverlässig Publikum auf Seiten wie diese ziehen. Mir ist klar: niemand hat Zeit für sowas. Niemand hat Zeit für selbstreflexive Texte von weißen mittelalten cis Männern. Zeit hat man nicht, Zeit nimmt man sich, und wenn du jetzt immer noch liest, bist du etwas ganz besonderes, wirklich, wow. Auf Seiten wie dieser bin ich mein Publikum und ziehe mich selbst am Schopf aus dem Brei aus Memes und Trends und Netflix, wenigstens am Schopf und nicht am Schlafittchen. Ich habe keinen Zugang mehr zu meiner Muße, ich schreibe nicht mehr und wenn ich schreibe, schreibe ich in einer Zeit in der Pop von einer Generation geprägt wird, die das Wort Muße nicht mehr kennt. Ich bleibe mit diesem Text hinter meinen Möglichkeiten zurück, ich habe mein Potenzial vergeudet, ich schreibe nicht mal mehr Tweets. Ich schreibe nicht mehr und wenn ich schreibe, ich schreibe höchstens noch Nachrichten in Slack, acht Stunden am Tag für so etwas Ähnliches wie eine Bank. Aber vielleicht blogge ich wieder, als würde ich daran glauben, dass mich das irgendwoanders hinführen könnte, als zu mir selbst. Bei mir selbst ist es leider gar nicht mal so schön, ständig ändert sich das Wetter und das Magnetfeld, Norden kreist. Aber vielleicht blogge ich wieder und verkünde das auf meinem Blog, wissend, dass ich nach den letzten drei Malen das Bloggen wieder anzufangen drei weitere Male wieder anfangen musste. Oder wieder anfangen konnte. Vielleicht blogge ich wieder, als würde ich daran glauben.
#75 Vielleicht blogge ich wieder
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