Salafistenbärtchen, denke ich. Und dann denke ich: Bitte was? Ich versuche, wenig Schlechtes über Menschen zu denken, aber da ich viel über Menschen denke, ist auch Schlechtes dabei. Und als mein Blick auf den jungen, arabisch aussehenden Mann fällt, der gerade eingestiegen ist, denke ich eben: Salafistenbärtchen. Ich will mich korrigieren, aber ich bleibe dabei. Es ist nicht nur seine Kinnbehaarung, sondern seine ganze Haltung. Wie er seine Schultern spannt und ein breites Kreuz macht, wie seine Füße etwas mehr als hüftbreit auseinander im Boden verschraubt zu sein scheinen, wie er jeden, der einsteigt aufmerksam mustert. Und vor allem: Welcher Ausdruck dabei aus seinem Gesicht spricht: Gefühlte Überlegenheit. Aber wieso? Weil er das Richtige glaubt, und ich gar nichts, nicht einmal das Falsche? Weil er ein Wolf ist und mich für ein Schaf hält? Weil er steht und ich sitze? „Guten Tag!“, ruft er, nachdem sich die Türen der S-Bahn geschlossen haben. „Ihre Fahrausweise bitte!“ Verdutzt fummele ich mein Handyticket auf. Das Einscannen dauert ein bisschen. Ich merke, wie ich rot und nervös werde und er merkt es auch. „Ist doch alles okay.“, sagt er überrascht. „Findest du?“, murmele ich und wende mich verschämt ab.
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